Dank der Pionierarbeit von André Hoffmann besteht seit 2003 eine lange Tradition der kommunalen Sozialberichterstattung in der Minettmetropole, die sich in mehr oder weniger regelmäßig publizierten Sozialberichten konkretisiert hat.1 Mit neuem Elan greift die Gemeinde diese Tradition wieder auf und hat ein observatoire social beim LISER (Luxembourg Institute of Socio-Economic Research) in Auftrag gegeben, dessen erster Bericht2 soeben erschienen ist. Mit seinen über 50 Indikatoren ist er umfangreicher als seine Vorgänger und soll nunmehr kontinuierlich fortgeschrieben werden; außerdem sollen die Bürgerbeteiligungs-Foren, wie sie von 2003 bis 2014 unter dem Namen assises sociales organisiert wurden, neubelebt werden.
Am spannendsten wird der Bericht dort, wo mithilfe geolokalisierter administrativer Daten feingliedrige räumliche Strukturen sichtbar werden. So zeigt das sozialversicherungspflichtige Einkommen große Unterschiede zwischen den Vierteln mit den niedrigsten Einkommen (Brill und Al-Esch) sowie den mit den höchsten (Dellhéicht und Wobrecken) auf. Überhaupt kann man einen Gegensatz zwischen der Innenstadt mit niedrigem Einkommen, hoher Arbeitslosigkeit und hohem Einwanderungsanteil und den deutlich besser gestellten Stadtteilen im Norden mit hohem Einkommen und überwiegend luxemburgischer Bevölkerung feststellen.
Leider werden die Indikatoren nur in seltenen Einzelfällen mit dem Landesdurchschnitt oder den Werten anderer Gemeinden verglichen. So erfährt man z. B., dass Esch – nach Wiltz – die zweithöchste Arbeitslosenrate (11,4 %) hat, weit über dem Landesdurchschnitt von 6,9 %. Oder dass Esch mit 5,5 % den höchsten Anteil an sozialen Mietwohnungen hat im Vergleich zu einem Landesdurchschnitt von 2 %. Knapp über die Hälfte davon gehören der Stadt Esch.
Die Studie zeigt aber auch die Grenzen kommunaler Sozialberichterstattung. Da die Gemeindegrenze das „neue Belval“, die auf der Industriebrache entstehende Universitätsstadt, durchschneidet, bleiben deren zu Sanem gehörenden Wohnquartiere außen vor. Man fragt sich auch, ob es in unserem kleinen Land nicht sinnvoller wäre, die Ansätze, wie es sie auch im Laufe der Jahre neben Esch in der Hauptstadt und der Nordregion gegeben hat, wieder aufzugreifen und zu einer nationalen Sozialberichterstattung zu bündeln.
ff
- Der erste Bericht wurde von Isabelle Pigeron-Piroth und mir selbst verantwortet. Vgl. https://orbilu.uni.lu/handle/10993/7119 (letzter Aufruf: 16. Juni 2021).
- https://tinyurl.com/ObsSocEsch (letzter Aufruf: 16. Juni 2021).
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
