- Gesellschaft
European Value Study in den Sand gesetzt?
Faktuell 46
Die European Value Study (EVS)1untersucht seit den 1980er Jahren den Wertewandel und die Säkularisierung in Europa und wurde bislang auch dreimal in Luxemburg durchgeführt. Bei der Vorstellung einer hauptsächlich auf diesen Daten basierenden STATEC-Studie2 wurden nicht nur deren inhaltliche Ergebnisse vorgestellt, sondern auch Kritik an der Durchführung der letzten EVS-Welle geübt.
Zunächst aber zum Inhalt der Studie: Immer weniger Menschen bekennen sich zu traditionellen religiösen Überzeugungen und Praktiken, insbesondere zum Katholizismus. Der Anteil der Atheisten und Indifferenten, aber auch der Anhänger anderer Spiritualitätsformen nimmt dagegen zu. 40 % der Befragten geben an, an Gott zu glauben, 34 % verneinen dies. 31 % glauben an ein Leben nach dem Tod, 40 % nicht. 20 % bezeichnen sich als Atheisten.
Die STATEC-Studie beschränkt sich auf die Zahlen von 2008 und 2020, weil sich die Definition der Stichprobe von 1999 von den beiden anderen unterscheidet. Die von mir ergänzten Zahlen von 1999 sind daher lediglich Richtwerte, um den längerfristigen Trend zu verdeutlichen und um zu dokumentieren, dass Luxemburg dreimal an der EVS-Studie teilgenommen hat – dies allerdings mit wechselnden Projektträgern.
1999 übernahm das SESOPI (heute CEFIS, Centre d’Etude et de Formation Interculturelles et Sociales) die Federführung. Die Ergebnisse waren Gegenstand einer umfangreichen, damals vielbeachteten Veröffentlichung.3 Die zweite Erhebung führte 2008 das CEPS (heute LISER, Luxembourg Institute of Socio-Economic Research) durch und veröffentlichte seine Ergebnisse in verschiedenen working paper und wissenschaftlichen Aufsätzen. Für die dritte (eigentlich für 2017 vorgesehene) Datenerhebung trug die von der Abgeordnetenkammer finanzierte Chaire de recherche en études parlementairesdie Verantwortung. Sie erfolgte erst mit großer Verspätung Ende 2020, beziehungsweise Anfang 2021. Auch danach ging es holprig weiter.

Wie auf der Konferenz verlautbart, bekam das STATEC die Daten nur nach mehrmaligem Nachhaken und mit großer Verzögerung. Trotz Nachgewichtung der demografischen Variablen ließ die Repräsentativität der Stichprobe zu wünschen übrig, was im Vorstellungsseminar mit dem Rückgriff auf das ILRES Internetpanel erklärt wurde.
Die Methode war in letzter Zeit auch international in Verruf geraten. Sie besteht darin, dass Personen sich in eine Liste einschreiben – das sogenannte Panel – und regelmäßig gegen einen Obolus ihre Meinung äußern. Die strukturellen Fallstricke dieser Methode, etwa die Vernachlässigung von weniger internetaffinen Menschen, Einschreibungen unter falschen demografischen Angaben, Mehrfacheinschreibungen usw. sind bekannt, aber schwierig zu kontrollieren.
Eigentlich müssten die Daten nicht nur der lokalen, sondern auch der internationalen scientific community über eine am Leibniz Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) in Mannheim angesiedelte Datenbank zur Verfügung stehen. Das Problem: Dort wird Luxemburg nicht mehr in der Liste der an der EVS 2017 teilnehmenden Staaten geführt. Man darf gespannt sein, ob und wann die Chaire de recherche en études parlementaires eigene Auswertungen präsentieren wird. Vielleicht demnächst im Rahmen ihrer Wahlanalyse?
1 https://europeanvaluesstudy.eu und Vorstellungsvideo: youtu.be/mxtF6rrk1HU (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 7. April 2023 aufgerufen).
2 https://tinyurl.com/4aw5d42b
3 Michel Legrand (Hg.), Les valeurs au Luxembourg : portrait d’une société au tournant du 3e millénaire, Luxembourg, Saint-Paul, 2002.
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