Faktuell 24 – Lieber arm in Luxemburg…

Achtzehn Prozent der Luxemburger Bevölkerung, also weit über 100.000 Personen, sind „arm“. Noch schlimmer: Mit 13,5 % Working Poor – also Menschen, die trotz ihrer Erwerbstätigkeit „arm“ sind – steht Luxemburg auf dem zweitletzten Platz des EU-Rankings, knapp vor Rumänien. Solche und ähnliche Zahlen sorgen regelmäßig in sozialen Netzwerken für Aufregung. Auf das Luxemburg-Bashing antwortet der Präsident des Conseil économique et social: „Ich bin lieber arm in Luxemburg, als dass ich in Rumänien der Mittelschicht angehöre“.1

Armut zu definieren ist schwer, sie statistisch zu messen noch schwieriger. Die zitierten Zahlen beziehen sich alle auf den im Rahmen der europäischen Sozialberichterstattung von EUROSTAT erhobenen Indikator der Armutsgefährdung. Danach gilt jemand als armutsgefährdet, wenn sein Einkommen2 weniger als 60 % des nationalen Medianeinkommens beträgt. Dieser Schwellenwert (seuil de pauvreté monétaire) lag 2018 in Luxemburg für einen alleinlebenden Erwachsenen bei 2.013 EUR pro Monat.3 Dieser Indikator erlaubt es, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu identifizieren und misst hauptsächlich die Einkommensverteilung innerhalb eines Landes. So dokumentiert er, dass die Ungleichheit auch in Luxemburg zunimmt.

EUROSTAT stellt noch weitere, weniger bekannte Indikatoren zur Armutsmessung zur Verfügung, die sich besser für einen Vergleich zwischen den Ländern eignen, z. B. die Quote der materiellen Deprivation (privation matérielle). Sie gibt den Anteil der Bevölkerung an, der aus finanziellen Gründen von dem als gesellschaftlich normal definierten Lebensstandard ausgeschlossen ist. Dieser wird über neun Ausgaben definiert: u. a. Hypotheken- bzw. Mietschulden oder andere Ratenzahlungen, angemessene Beheizung der Wohnung, Kauf von langlebigen Gebrauchsgütern (wie Waschmaschine, Fernseher, Auto) und Urlaubsreisen.4 Wenn ein Haushalt aus finanzieller Not unfähig ist, mindestens für drei der neun Ausgaben aufzukommen, wird dies als „materielle Entbehrung“ bezeichnet; bei vier als „erhebliche materielle Entbehrung“. Nach dieser Definition sind 3,5 % der Luxemburger Wohnbevölkerung von „materieller Entbehrung“ betroffen und 1,3 % von „erheblicher materieller Entbehrung“. Die Grafik zeigt das Ranking, in dem Luxemburg gleich nach Norwegen den zweiten Platz einnimmt.

Neben den bisher erwähnten Indikatoren der monetären Armutsgefährdung und der materiellen Entbehrung wird noch ein dritter erhoben, der für eine geringe Teilhabe am Arbeitsmarkt steht. Eine Synthese aus den drei wird heute unter dem Namen „Europa 2020“- Indikator als zentrales Maß für die Armutsgefährdung oder soziale Ausgrenzung angesehen, auch bekannt unter der Abkürzung AROPE-Indikator (At risk of poverty or social exclusion). In diesem Ranking steht Luxemburg mit 21,5 % leicht unter dem EU-Durschnitt von 22,4 % an 15. Stelle.5 ff

  1. https://www.woxx.lu/integration-in-luxemburg-spektakulaere-situation/ (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 16. März 2020 aufgerufen).
  2. STATEC, Rapport travail et cohésion sociale : l’état social et le bien-être de la société luxembourgeoise, Luxembourg, 2019, https://statistiques.public.lu/catalogue-publications/analyses/2019/PDF-Analyses-02-2019.pdf, S. 111-197.
  3. Ebd. S. 129.
  4. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Glossary:Material_deprivation/de
  5. Zahlen für das Jahr 2017, siehe Anm. 2, S. 150.
    https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=ilc_sip8&lang=en

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