Portugiesisch im Parlament
Historische Geste oder schäbige Provokation?
Der Vorfall
In seiner Jungfernrede vor der Kammer ist der neue GAP-Abgeordnete Robert Garcia, besser unter seinem Kampf- und Künstlernamen „roga“ bekannt, als er, nicht ohne Vorwarnung, auf die multikulturelle Gesellschaft Luxemburg zu sprechen kam, auf das Portugiesische übergewechselt, weil, wie er sagte, diese Sprache die zweithäufigste Muttersprache in Luxemburg ist. Mit dieser Geste wollte er auf die Ausgrenzung eines großen Bevölkerungsteils vom politischen Leben aufmerksam machen. Der Text dieses Abschnitts lag den Abgeordneten in französischer Öbersetzung vor. Die Geste war symbolisch gemeint und daß die des Lesens kundigen Abgeordneten sich weigerten, die Öbersetzung zur Kenntnis zu nehmen und „beim Klang portugiesischer Vokabeln wie von einer Tarantel gestochen reagierten“ (jph im „Lazebuerger Land“), erstaunte den grünen Redner. Wer nicht zugegen war, kann sich nur schwer ein genaues Bild über die unwürdige Reaktion des hohen Hauses machen. Die „presse amie“ der aus der Rolle gefallenen Abgeordneten versuchte das Ganze mit nichtssagenden Berichten zu vertuschen. Im tageblatt lesen wir zum Beispiel: diese Rede „sorgte verständlicherweise für ziemliche Aufregung und auf Drängen von Alterspräsident Jos Brebsom gab Garcia sein seltsames Unterfangen auf.
“ Im „GréngeSpoun“ liest es sich ganz anders: „Dann aber ging das Tohuwabohu los: Erregung und Entrüstung auf allen Bänken, Zwischenrufe etc. Anstatt ihre gute Kinderstube zeigten die meisten Abgeordneten für einmal ihr wahres Gesicht. Die Apartheid, voll welcher der grün-alternative Abgeordnete in seiner Rede sprach, wurde auf krasse Art und Weise deutlich: alle schönen Sprüche über Solidarität und Gleichheit seitens der Altparteien verpufften durch diese Szene zu einem Nichts.“
Während in der Berichterstattung der Tagespresse die Anpöbelungen der Abgeordneten nicht erwähnt wurden, waren die Kommentare umso schärfer. Im „journal“ bezeichnete Rob Roemen roga als „grünen Jungen“ und sprach von „dummdreisten Auftritt“, von „Effekthascherei“, von „egozentrischem Theater“. Camille Dimmer fragte im „LW“, ob „aus roten Revoluzzern grüne Chaoten geworden“ sind, und sah in der Rede „einen Schlag ins Gesicht aller Luxemburger“, „eine Provokation an das nationale Gefühl“.
Den Vogel aber schoß Yolande Kieffer in der „revue“ ab. Für sie war „die Einlage in portugiesischer Sprache ein bemerkenswerter, unverständlicher Fehltritt. Als Provokation war es ein schäbiger Volltreffer“, „billige Effekthascherei, die Suche nach Publicity, ohne Rücksicht auf Verluste“. Das portugiesisch gesprochene Wort hat sie nicht verstanden, das französisch geschriebene auch nicht. Wie könnte sie sonst in ihrem Artikel Robert Garcia auf Deutsch und in direkter Rede behaupten lassen, seine zweite Muttersprache sei Portugiesisch. Lachen müßte man über soviel Unverstand, wären da nicht die Leser, die solchen Enten aufsitzen und sie anschließend als ihre Meinung, ihre Wahrheit weiterverbreiten. So geschehen in einem Leserbrief, der im im „LW“ abgedruckt wurde, in dem es hieß, man solle diesem Garcia seine Diäten um zwei Drittel kürzen, damit er Luxemburgisch lerne.
Ja dieser Garcia, dieser Hispano-Lusitanier, weshalb kann er nicht einfach Müller oder Schmitt heißen, und seine Mutter soll auch noch Portugiesin sein. – Aber sicher doch, denn bei dem Namen ist seine erste Muttersprache, äh seine Vatersprache sicher spanisch. – Na klar, es stand in der „revue“. – Ach, Sie lesen nur telécran, Herr Nachbar. Sie kennen nicht die Leitartikel von unserer Yolande Kieffer? – Ach, Sie lesen nur die Auszüge im „Ländchen „. Ja, wenn das so ist…
Wäre da nicht der stock-luxemburgische Vorname, Robert, man könnte meinen, es mit dem waschechten kolumbianischen Drogenboß Roberto Enriquez Garcia zu tun zu haben, oder vielleicht auch nur mit dem Enkel des Fettwanstes Colonel Garcia aus den guten alten Zorro-Filmen. Luxemburgisch lernen solle er, meint der Leserbriefschreiber. Und dabei kann unser Robert Luxemburgisch, obschon seine Vorfahren eingewandert sind, wie die von so vielen unserer Landsleute. Allerdings nicht heute und nicht gestern. Als unser Staat 1839 gegründet wurde, da waren sie schon da, die Garcias, Abkömmlinge irgendeines spanischen Besatzers, der in unserer Festung hängen geblieben ist. Doch verlassen wir das Feld der billigen Polemik. Kommen wir zum gemeinsamen Argument aller
Artikel. Ob Dimmer, ob Roemen, ob Kieffer, das inhaltliche Argument ist immer das gleiche, roga erweise denen, die er unterstützen wolle, einen Bärendienst. Carel Scheltgen hat dies im „telécran“ auch so formuliert, nur ohne das Gegeifer seiner Kollegen.
In einer bedächtigen Art und Weise, die zur Diskussion einlädt, schreibt er: „In einer Zeit, in der der Nationalismus wieder seltsame Blüten treibt, ist es ungeschickt, die Integration der ausländischen Mitbürger mit dem Zuschlaghammer vorantreiben zu wollen.“ Garcia habe „Wasser auf die Mühlen jener
gekehrt, die sich immer laut darüber beklagen, daß man sich in Luxemburg sprachlich nicht mehr daheim fühlt…. Mit Einfallsreichtum, Fingerspitzengefühl
und einer guten Portion Geduld wird sich noch manch positive Veränderung herbeiführen lassen. Auf spektakuläre Aktionen, die eher Angst als Vertrauen
schaffen, sollten wir tunlichst verzichten.“ Mehr Verständnis für das Vorgehen von Robert Garcia zeigt jph im „Land“. Unter dem Titel „Verbeulter Mythos“ zeigt er auf, daß Integration oft eine leere Worthülse ist, daß die viel gepriesene friedliche Koexistenz oft nur gegenseitige Gleichgültigkeit ist und daß „in der Praxis ein sprachlich selektives Schulsystem den Ausländerkindern nur begrenzte Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg einräumt“.
roga selber hat auf die Argumente der Presse folgendermaßen im „Spoun“ geantwortet: „Les psychologues avertis vous diront que derrière des réactions exagérées se cache souvent un iceberg de frustrations refoulées, d’angoisses mal exprimées, d’aggressions passablement contenues. Si donc l’argument de dire qu’il vaut mieux laisser dormir les chients mordants peut paraître pragmatique à première appréciation, il ne constitue pas moins une approche suffisamment instable pour permettre, le cas échéant un réveil brutal de toute une meute de chiens exaltés“.
Das Vorbild
Schon einmal hat es in der Luxemburger Kammer Proteste gegeben, weil ein Abgeordneter in seiner Antrittsrede eine Sprache verwendet hat, die vom Kammerreglement nicht zugelassen war. Am 10. November 1896 hielt C.M. Spoo seine Antrittsrede in luxemburgischer Sprache. Doch die Notablen waren
damals nicht bereit die Sprache des Volkes zuzulassen. „Was sie wollten, oder vielmehr, was sie verhindern wollten, war die Schleifung einer Sprachbarriere, der sie mit Recht für die zukünftige Verteidigung der eigenen politischen Machtstellung große Bedeutung zumaßen“ (F. Hoffmann, Pragmatik und Soziologie
des Lazebuergeschen, S. 155). Die Rede Spoos ist in die Geschichtsbücher eingegangen; auch roga oder zumindest die Spoun-Leitartiklerin kokettiert mit der Geschichte, wenn sie schreibt: „In ferner Zukunft, wenn das Wahlrecht für alle hier lebenden Menschen sich endlich durchgesetzt hat … werden die Geschichtsbücher vielleicht auch an diesen memorablen Tag erinnern.“ Und auch heute geht es in der Tat um die Schleifung einer Sprachbarriere. Die Luxemburger Gesellschaft ist definitiv dabei, sich in ein kosmopolitisches Gebilde zu verwandeln und in der Stadt Luxemburg ist die öffentliche Umgangssprache
eher Französisch als Luxemburgisch. Daß die Luxemburger über lange Jahre die Illusion hochgehalten haben, ein frankophones Land zu sein, rächt sich heute, wenn man festschreiben muß, daß die Debatten der Gemeinderäte in Luxemburger Sprache geführt werden sollen. Spoo müßte zufrieden sein…
roga selber steht zu seiner Geste, wenn er schreibt: „L’on pourra en toute sérénité clamer l’opportunité du geste et ne pas fuire l’idée d’une récidive sur un autre terrain“. Man darf also gespannt sein auf die verbleibenden zwei Jahre dieser Legislaturperiode. Das Thema Ausländer und Ausländerwahlrecht wird sicher im nächsten Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen und die großen, traditionellen Parteien wären gut beraten, wenn sie dieses Thema offensiv angehen würden. Indem sie es verdrängen, überlassen sie das Feld ausländerfeindlichen Kräften und daß solche in ihren eigenen Reihen sitzen, hat die hysterische Reaktion auf die portugiesische Rede bewiesen. „Mir sin hei am lëtzebuerger Parlament, a nët am Portugal“, so ein Zwischenrufer laut „revue“. Recht hat er, doch trotzdem sind über 50% der aktiven Bevölkerung Ausländer. Wer vor dieser Tatsache die Augen schließen will, wird eines Tages böse erwachen.
ff 139 3 2 ff Portugiesisch im Parlament Historische Geste oder schäbige Provokation? Ausländer Politik Gesellschaft Luxemburg Beitrag
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