Faktuell

Säkularisierungsschub

Bis in die 1950er Jahre wurden praktisch alle Kinder in Luxemburg getauft. André Heiderscheid, lange Jahre Leiter des Luxemburger Wort und graue Eminenz des politischen Katholizismus, wusste, dass dies nicht ein Ausdruck des Glaubens, sondern eher des Konformismus in einer traditionell konservativen Gesellschaft war: „Le fait que pratiquement tous les enfants reçoivent encore le baptême milite cependant moins en faveur d’une vitalité authentique du catholicisme luxembourgeois que de la profondeur de l’esprit conservateur et traditionaliste du peuple.“1 Auch dieser Gewohnheitskatholizismus geht zunehmend zurück.

Seit einigen Jahren veröffentlicht die katholische Kirche in einem Jahresbericht sowohl ihre Finanzsituation als auch Statistiken über die Sakramentenspendung.2 Wie Grafik 1 zeigt, nehmen die absoluten Zahlen der Taufen und der ersten heiligen Kommunionen stetig ab. Beide Kurven beschreiben denselben Rückgang der sakramentalen Praxis. Die Zahl der Kommunionkinder ist allerdings höher als die der Täuflinge, da manche der Neunjährigen nicht in Luxemburg geboren und getauft wurden.3

Geht man davon aus, dass im Wesentlichen Neugeborene getauft werden, so kann man das Verhältnis von Taufen und Lebendgeburten nach Jahrgängen als Indikator für den Impakt der katholischen Kirche in der Gesellschaft betrachten.3 Abbildung 2 zeigt einen kontinuierlichen Rückgang und einen dramatischen Einbruch für das Jahr 2017. Erst in ein, zwei Jahren wird ersichtlich, ob es sich hierbei um einen Ausreißer oder um einen dramatischen Säkularisierungsschub handelt, u. U. durch die Diskussion um eine Trennung von Kirche und Staat oder durch das Verschwinden des Religionsunterrichts aus der Grundschule bewirkt.

  1. Heiderscheid, André (1962): Aspects de sociologie religieuse du diocèse de Luxembourg. Tome 2 : La société religieuse: confrontation de la société civile avec la société religieuse. Luxembourg: Saint Paul, p. 130.
  2. https://www.cathol.lu/aerzdiozes-archidiocese/rapports-annuels-joresrapporten/.
  3. Genauer: Wenn alle, idealerweise bei der Geburt getauften Kinder bis zur Kommunion mit neun Jahren aktiv am Kirchenleben teilnehmen, müssten sich beide Kurven mit einer Verzögerung entsprechen. Dem ist nicht so: Für 2008 sind 2.731 Taufen ausgewiesen; 9 Jahre später machen 2.943 Kinder die erste Kommunion. Die Zahl liegt höher, weil mehr Neuzugänge durch Einwanderung und – sicher in geringerem Maße – verspätete Taufen als Abgänge durch Auswanderung und Abkehr von der sakramentalen Praxis zu verzeichnen sind.

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