Von einem Quasi-Monopol zum anderen

Einführung ins Dossier

Es war einmal eine Presselandschaft Luxemburg, die von einer Tageszeitung dominiert wurde. Diese allein hatte einen Leseranteil von 60 %. Sie war erzkonservativ bis reaktionär, berief sich auf Papst und Kirche und auf ein simples, bipolares Weltbild: der Westen, christlich, kapitalistisch, karitativ, gegen den Osten, atheistisch, kommunistisch, imperialistisch. Diese Sicht der Dinge wurde von den übrigen Tageszeitungen bestätigt: Weil sie sich als Konkurrenz zur großen Tageszeitung verstanden, attackierten sie regelmäßig deren Positionen und verfestigten so die bipolare Weltsicht auch ihrer Leser.

Besagtes Weltbild galt nicht nur für die Presselandschaft. Die Luxemburger Gesellschaft war insgesamt stark versäult und in mehrere Lager aufgeteilt: Das katholisch-konservative Lager bestand aus Luxemburger Wort, Letzeburger Sonndesblad und Marienkalender, der CSV, den Gewerkschaften LCGB und Syprolux, der kirchlichen Hierarchie, der Bauernzentrale sowie einer Reihe katholischer Vereine von Fraen a Mammen und AFP (Action familiale et populaire) bis zu ALUC (Association luxembourgeoise des universitaires catholiques) und JRC (Jeunesse rurale catholique). Das sozialistische Lager gruppierte sich um das Tageblatt, die LSAP, die Syndikate LAV (aus dem 1979 der OGBL hervorging) und FNCTTFEL, das Foyer de la Femme … Das liberale Lager bestand aus dem Letzeburger Journal, der DP, dem d’Letzeburger Land, der Industriellenvereinigung Fedil, der Handelskammer, den Femmes libérales, den FNEL-Scouten, dem Rotkreuzbasar … Die Kommunisten hatten die Zeitung vum Letzeburger Vollek, die KPL, die Gewerkschaft FLA, den Rentner- und Invalidenverband (LRIV), die Union des femmes luxembourgeoises (UFL) … Daneben gab es etliche Vereinigungen, die antiklerikal waren und Mitglieder aus den drei letztgenannten Lagern vereinten: den Freidenkerbund, den Einäscherungsverein Flamma, die Studentenverbände ASSOSS und UNEL…

Die Säulen bröckeln

Diese Zweiteilung der Welt und der politischen Landschaft Luxemburgs wurde Anfang der 1970er Jahre in Frage gestellt. Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Studentenunruhen von 1968/71 kam es auch im katholischen Lager zur Infragestellung der Allianz zwischen Kirche und konservativer Partei und der Vereinnahmung des christlichen Gedankenguts für die Zwecke des Kalten Kriegs. Es entstanden Initiativen wie die AFC (Action Formation de cadres, später ASTM), die sich für eine gerechtere Weltordnung einsetzte statt paternalistischer Geldsammlungen für die Armen, die Erwuessebildung, die für ein aufgeklärtes Bildungsprogramm und Glaubensangebot eintrat, die Dritte-Welt-Läden, die faire Produkte aus ehemaligen Kolonien verkauften, die Jugendpor, aus der die Zeitschrift forum hervorging, die sich aufs Heftigste gegen das pseudochristliche Meinungsmonopol von Luxemburger Wort und Sankt-Paulus-Verlag zur Wehr setzte und Meinungspluralismus innerhalb der katholischen Presseorgane einforderte.

Heute ist Luxemburgs Presselandschaft eine gänzlich andere. Nicht aus ethischer Überzeugung, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit hat sich das Luxemburger Wort seit der Jahrtausendwende schrittweise geöffnet, verschweigt nicht mehr, was außerhalb des katholischen Lagers geschieht, berichtet auch über Pressekonferenzen und Jahreskongresse der anderen Parteien, bringt zu ausgewählten Themen unterschiedliche Meinungen. Ihren vorläufigen Abschluss fand diese Transformation im April 2020, als das Erzbistum sein publizistisches Flaggschiff an den flämischen Mediahuis-Konzern verkaufte.1 Im Sommer 2020 verschwand schließlich auch der traditionsreiche Name Saint-Paul; den Vorsitz des Verwaltungsrats von Mediahuis Luxembourg führt heute die ehemalige hohe EU-Beamtin – und kurzzeitige LSAP-Politikerin – Martine Reicherts.

Das Tageblatt hat zwar seine antiklerikale Linie beibehalten, ist aber nicht mehr die Hauspostille der LSAP, wie auch das Lëtzebuerger Journal keine DP-Parteizeitung mehr ist. Wort und Tageblatt kommen laut ILRES-Plurimedia 2022.1 (bei einer potenziellen Gesamtbevölkerung von 533.600 der über 15-Jährigen) auf einen Leseranteil von 22 % bzw. 4,9 % oder, wenn man ihre jeweiligen Internetauftritte hinzuzählt, auf 24,5 % bzw. 6,1 %. Am zweitmeisten gelesen wird die Gratiszeitung L’essentiel, die mit ihren Kurznachrichten, vor allem aus dem Bereich People, 16,6 % der Leserschaft erreicht.

RTL, eine nationale Institution

Nichtsdestotrotz dominiert heute ein anderer Quasi-Monopolist die Medienlandschaft. RTL, das erst seit 1991 eine tägliche Fernsehsendung auf Luxemburgisch ausstrahlt, gilt als der entscheidende Meinungsmacher, wenn auch keineswegs alle Nachrichten dem Faktencheck standhalten und allzu häufig der reißerische Bild-Journalismus die nüchterne Debatte übertönt. Die Reichweite der permissiven RTL-Medien, in deren Online-Userforum die anonyme Vox populi so gut wie ungestört Dampf ablassen kann, übertrifft die aller anderen Akteure: RTL Radio Lëtzebuerg hat nach der genannten Umfrage eine Audienz von 28,7 %, RTL Télé Lëtzebuerg eine von 17,5 %, zuzüglich 8,4 % über Internet. Zudem kontrolliert RTL auch noch Eldoradio (14,4 %). In dieser neuen Landschaft haben andere Radiosender wie das soziokulturelle Staatsradio 100,7, von den Lokalradios gar nicht zu reden, einen schweren Stand.

So mag es auch angesichts der Vorherrschaft des Kirchberger Senders kein Zufall sein, dass es im Gegensatz zu früheren Zeiten keine Wort-Journalisten mehr sind, die eine politische Karriere bei der CSV machen (Jean Wolter, Viviane Reding, Emile Burggraff u.a.m.), und keine Tageblatt-Journalisten, die es bei der LSAP in die erste Reihe schaffen (Robert Goebbels, Mars Di Bartolomeo, …), sondern die Parteien –  alle Parteien – vor den Wahlen geradezu darauf erpicht sind, Redakteure und Animatoren, die aus RTL-Funk und -Fernsehen scheinbar bekannt und beliebt sind, auf ihren Kandidatenlisten zu platzieren. Einigen von ihnen gelingt der Sprung in die Chamber (Félix Eischen) oder gar in die Regierung (Marc Hansen, Corinne Cahen, Francine Closener), andere bleiben auf der Strecke und müssen, da ihnen der Weg zurück auf die RTL-Antennen versperrt ist, von ihren Parteifreunden mit einem Job versorgt werden. Ebenso kann der vorgebliche RTL-Glamour, aus dem die Parteien elektoralen Profit zu schlagen versuchen, auch mal in einer Blamage enden, wie der Fall Monica Semedo illustriert.

Die neue Unübersichtlichkeit

forum – wie übrigens auch das Lëtzebuerger Land und Reporter.lu, zu denen etliche forum-Mitarbeiter übergewechselt sind – hat sich in dieser Geografie ebenfalls neu positionieren müssen, indem es sich nicht mehr als christliches Korrektiv zur einseitigen Meinungsmache im Luxemburger Wort versteht, sondern eher als Reflexionsorgan, das mit seinen Dossiers und Rundtischgesprächen weniger die Tagesaktualität als tieferliegende Strömungen unserer Gesellschaft kritisch begleitet und zur öffentlichen Debatte beitragen will, um demokratische Grundlagenarbeit zu leisten.

Wenn in den 1970er Jahren der damalige Wort-Direktor Abbé André Heiderscheid sich mit Händen und Füßen und Giftpfeilen gegen jeden Pluralismus in den Kolonnen des Luxemburger Wort mit dem Argument wehrte, das würde die katholische Leserschaft verunsichern, so ist die heutige Presselandschaft in der Tat von Unübersichtlichkeit geprägt. Obschon jede Redaktion ihre Neuzugänge eine journalistische Charta unterschreiben lässt, die die hausinterne ligne éditoriale bestimmt, scheinen die einzelnen Journalisten eher électrons libres zu sein, die nach eigenem Gutdünken handeln. Während im Luxemburger Wort z. B. Dani Schumacher lange Zeit der CSV immer wieder die Leviten las und Marc Schlammes eine öko-angehauchte Linie vertritt, durften Michèle Gantenbein und Annette Welsch (ex-Journal) sich seit Jahren auf Carole Dieschbourg einschießen und immer wieder, auch ohne Anlass, alte Affären aufkochen, bis die Ministerin der Grünen am Ende war und den Kampf aufgab. Wessen Interessen die beiden vertreten, bleibt dem ratlosen Leser schleierhaft: Parteipolitik im Dienst der CSV wie früher, Anti-Grünen-Kampagne im Dienst der traditionellen Landwirtschaft, Kriegsführung gegen eine erfolgreiche Politikerin oder egozentrische Profilneurose? Fairen, sachlichen Journalismus kann man’s nicht nennen, eher schon Rudel- oder Meutenjournalismus.

Doch trotz dieser Aufsplitterung der politischen Säulenlandschaft und ihrer Loyalitäten gibt es offensichtlich Tabuthemen, an die sich kein Presseorgan herantraut: Keiner fragt, wie und warum ein Chefredakteur vom Luxemburger Wort zum Tageblatt und weiter zu Radio 100,7 wandern kann. Keiner stellt das Geschäftsmodell eines Paperjam in Frage. Das Gesetz zur Reform der Pressehilfe wurde erst kommentiert, nachdem es das Parlament passiert hatte, und von ernsthafter Kritik daran fehlt bis heute jede Spur. Bei den genannten Themen könnte der Korpsgeist noch als Erklärung für das Schweigen dienen. Aber es untersucht auch niemand, was am großherzoglichen Hof los ist, warum es dort so häufige Personalwechsel gibt. Medienkritik ist in Luxemburg ein Fremdwort, Selbstkontrolle Fehlanzeige, die vom Presserat veranstaltete Aus- und Weiterbildung für Journalisten dem Vernehmen nach ein langweiliger Witz. Von 1993 bis 2018 kanalisierte der Feierkrop den Populismus. Heute fehlt – mal abgesehen vom Boulevardblatt Lëtzebuerg Privat – ein solches „Kontrollorgan“, und der Populismus darf sich ungestört auf Social Media austoben und die Online-Kommentarspalten füllen.

Spiegelbild der Gesellschaft

Dennoch wäre es vermessen zu behaupten, früher sei durchweg alles besser gewesen. Das journalistische Handwerk in Luxemburg ist deutlich professioneller und investigativer geworden, was auch darauf zurückzuführen ist, dass viele Medienschaffende ein Hochschulstudium in Journalistik oder Kommunikation absolviert haben. Tatsache ist auch: In keinem anderen europäischen Land hat sich die Presselandschaft, die immer auch ein Spiegelbild soziologischer Realitäten ist, derart grundlegend (und zwangsläufig) gewandelt wie in Luxemburg. Die Gesellschaft ist heute eine vollkommen andere, als sie es noch bis Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts war. Die Wohnbevölkerung, gar nicht zu reden von der Zahl der Erwerbstätigen, hat sich infolge des ungebremsten Wirtschaftswachstums quasi verdoppelt, Säkularisierung und Individualisierung (und damit einhergehend die „Entsäulung“) sind weit fortgeschritten. Die Globalisierung reflektiert sich hierzulande wie in einem Brennglas; die digitale Revolution, die Omnipräsenz von Smartphones und Tablets und nicht zuletzt der Siegeszug von Social Media tun ein Übriges.


Selbstredend war dieser Paradigmenwandel in Gesellschaft und Pressewesen das herausragende Thema unseres langen, aufschlussreichen Interviews (S. 23) mit Luxemburgs exponiertesten Medienmanagern, Paul Peckels (Mediahuis Luxembourg) und Dhiraj Sabharwal (Editpress). Dabei ging es u. a. um die Frage, wie jene Hälfte der Bevölkerung, die zwar nicht die luxemburgische Staatsbürgerschaft besitzt, aber dennoch ein elementares Bürgerrecht geltend machen darf, umfassend und verständlich über alles Relevante in ihrem Wohnland informiert zu werden, am besten zu erreichen ist. Positiv reagierten unsere Gesprächspartner auf die Idee zur Gründung einer nationalen Presseagentur mit klar umrissenen Aufgaben – ähnlich z. B. der APA in Österreich –, wodurch sich insbesondere in den Zeitungsredaktionen neue Ressourcen auftäten. Ein immer wiederkehrendes Stichwort war der sogenannte „interne Pluralismus“ der Redaktionen. Nicht mehr das Vorkauen festgefügter ideologischer Positionen soll die demokratische Meinungsbildung bestimmen, sondern gut argumentiertes Pro und Contra. Einig waren sich unsere Gäste auch, dass die allzu geringe Wertschätzung für professionellen Journalismus hierzulande in keinerlei Relation zu seiner Wichtigkeit für den freiheitlich-demokratischen Diskurs steht.

Das zweite große Interview für das Dossier führten wir mit der Präsidentin des Verwaltungsrats von radio 100,7, Véronique Faber (S. 32). Ihre Ausführungen dürften belegen, dass die Idee eines spezifisch öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders seit Gründung des „Soziokulturellen“ vor fast 30 Jahren einen langen Weg gegangen ist. Viele Hoffnungen und Erwartungen verbinden sich mit dem neuen Gesetz über dessen Statut, Aufgaben und Funktionsweise. Wie aber will radio 100,7 angesichts des Luxemburger Sprachen-Potpourris ein Maximum an Hörern erreichen und für seine niveauvollen Programme, viele davon abseits des Mainstreams, begeistern? Wie erlebt es die Konkurrenz des Giganten RTL, der trotz kommerzieller Ausrichtung aufgrund der geltenden Konvention mit dem Staat ja auch einen Informationsauftrag im öffentlich-rechtlichen Sinne zu erfüllen hat? Wie könnte sogar gegebenenfalls ein öffentlich-rechtliches Fernsehen für Luxemburg aussehen – insofern herkömmliches, lineares TV überhaupt noch eine Zukunft hat? Eins scheint klar: Mit Véronique Faber hat bei 100,7 eine Frau den Vorsitz übernommen, die ihre Aufgabe ernst nimmt und den gleichermaßen seriösen wie unentbehrlichen „Staatsfunk“ trotz vergleichsweise bescheidener Quoten zu neuen Ufern führen will.

Zahlen, Daten, Fakten

Wie aber kommen die statistischen Daten über den Medienkonsum auf dem zwar kleinen, doch sprachlich wie kulturell unvergleichlich vielfältigen Luxemburger Markt überhaupt zustande? Aus welchen Erkenntnissen speisen sich die von Medienprofis aller Gattungen stets mit Spannung erwarteten Prozentzahlen über Leser-, Zuhörer-, Zuschauer- und Klick-Anteile, die als ILRES-Plurimedia-Etüde in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden? Wie darf man diese interpretieren, welche Trends offenbaren sie und wie könnte die Zukunft des Mediensektors aussehen? Kaum jemand geht diesen existenziellen Fragen mit größerer Sachkenntnis auf den Grund als Tommy Klein, der beim Meinungsforschungsinstitut ILRES als Client Service Director für die Domänen öffentlicher Sektor, Politik und Gesellschaft verantwortlich ist (S. 30).

Ohne akademisch-wissenschaftlichen Anspruch, aber ganz und gar ernstgemeint war auch die Umfrage, mit der wir die Mitglieder der Luxemburger Regierung überraschten. forum-Redakteurin Françoise Stoll wollte wissen, wie es die Damen und Herren Entscheidungsträger denn so mit den Medien halten (S. 29). Dass sich von 17 Ministerinnen und Ministern immerhin sechs, also mehr als ein Drittel, befleißigten, die rund 20 Fragen – selbstverständlich streng anonym – zu beantworten, dürfen wir durchaus als Erfolg verbuchen. Mit Verwunderung wird die interessierte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass fünf von sechs Kabinettsmitgliedern von sich behaupten, sie ließen sich bei ihren politischen Entscheidungen nicht von den Medien beeinflussen. Nun ja: Sofern sich ihr Konsum nebst dem obligaten Studium der Familienanzeigen auf das tägliche Sudoku reduziert, glauben wir ihnen aufs Wort.


Terminjournalismus, Gefälligkeitsjournalismus

Den klassischen „Terminjournalismus“ mit Chronistenpflicht hinter sich gelassen haben die Online-Pioniere von Reporter.lu, die seit März 2018 mit bemerkenswert nachhaltigem Erfolg ihr Lebensmotto „Ein anderer Journalismus ist möglich“ in die Tat umzusetzen versuchen. Wie aus dem Rückblick der Stammeltern Christoph Bumb und Laurence Bervard (S. 38) hervorgeht, zeichnet für die Initialzündung zur Gründung von Reporter.lu kein Geringerer als Ex-CSV-Dauphin Luc Frieden mit seiner rückwärtsgewandten Nostalgie für das Luxemburger Wort von vorvorgestern verantwortlich. Ein Schuss, der für Frieden voll nach hinten losging, dafür aber der Nation ein innovatives Stück Pressefreiheit bescherte. So warteten die Newcomer seit ihrem Start im März 2018 schon mit mancherlei Scoop auf, gewöhnlich nicht zum Wohlgefallen der darin zu Ehren kommenden „Autoritäten“ aus Politik und Wirtschaft. Hinzu kommen die exzellenten Verbindungen des Teams zum Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ), dem nach eigenen Angaben 280 Mitglieder in über 100 Ländern angehören. Auch das ein Novum für Luxemburg!

Dass zumal jüngere Journalisten hohe Ansprüche an ihr Metier stellen und der Gefälligkeitsjournalismus früherer Tage (Insider benutzen den Code „Schnitterchersjournalismus“) eine aussterbende Spezies ist, geht aus den Antworten auf unsere fünf Fragen an sechs Luxemburger Medienschaffende hervor (S. 45). Als gemeinsamer Nenner in den Beiträgen von Rebecca Baden (Freelance in Deutschland), Bérangère Beffort (Maison Moderne), Annick Goerens (RTL Radio Lëtzebuerg), Matthias Kirsch (Freelance in Deutschland), Jessica Oé (Tageblatt) und Pia Oppel (radio 100,7) offenbart sich eine Berufsethik, die der vielzitierten Rolle der Presse als „Wachhund der Demokratie“ sehr wohl gerecht wird. Und ja: Journalismus besitzt unverändert den Nimbus einer persönlichen Berufung statt nur eines simplen Broterwerbs.

Von einer Berufung kann man demnach auch in Bezug auf das „neue“ Lëtzebuerger Journal sprechen. Seit die einst blaue Parteigazette ihre Printausgabe eingestellt hat und auf Online pur umgesattelt ist, schwingt dort Melody Hansen das Zepter. Die junge Chefredakteurin erklärt ihre Vision eines „konstruktiven Journalismus“, dem sie und ihr kleines Team sich verpflichtet fühlen (S. 43). Keinesfalls gehe es dabei um Wohlfühl- oder Schönwetterjournalismus, sondern um Nachrichten und Geschichten, die den Menschen einen Funken Hoffnung schenken, ihnen einen Anreiz liefern sollen, wie man die Probleme und Herausforderungen der Gegenwart in einer „elenden“ Welt, die sich am Abgrund wähnt, mithilfe vieler kleiner und größerer, persönlicher und kollektiver Schritte lösen und überwinden kann.

Eines wird nach der Lektüre dieses Mediendossiers deutlich: Niemand weiß zurzeit, wo die Reise hingeht. Ob auch morgen noch Zeitungen gedruckt werden oder wirklich alles rein digital daherkommt, scheint dabei eher zweitrangig. Ob die Kundschaft lieber für gut recherchierte Fakten bezahlt als für starke Meinungen? Nun, der Feind aller Freiheit ist die Lüge, der Fake. Aber die Demokratie braucht neben Wahrheit und Recht auch streitbare Standpunkte. Denn wer nur sieht, aber nicht urteilen mag, ist zum Handeln nicht fähig.

  1. Vgl. Pierre Lorang, „Katholische Schwesterzeitungen“, in: forum 407 (Juni 2020), S. 5: https://www.forum.lu/article/katholische-schwesterzeitungen (letzter Aufruf: 11. Juli 2022).

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